Jungfrau Marathon

9. September 2012 - Mein Laufziel im 2012 war der Irontrail, welcher zum 1. Mal in der Geschichte der Ultramarathons stattfinden sollte. Leider wurde jener unglücklich 4 Stunden vor dem Startschuss abgesagt. Ich wollte die vielen Trainingseinheiten nutzen und meldete mich für den Swissalpine Marathon an (78KM und 2'500 Höhenmeter). 

Dieser war für mich immer Plan B, falls irgend etwas schief geht. Die grosse Investition in die Trainings war nicht immer einfach zu vereinbaren.

Mitte August, zwei Wochen vor dem Ereignis machten sich leichte Halsschmerzen bemerkbar. Dies war in einer wichtigen Trainingsphase und ich setzte es fort, da ich kein Fieber hatte. Danach kam der Schnupfen dazu und eine Woche vor dem Lauf der Husen. Ich konnte den Trainingsumfang zwar abschliessen, aber der Husten wurde immer noch stärker.

Bei all meinen bereits 20 absolvierten Marathons war das Risiko einer Absage immer präsent und ich schonte mich auch dementsprechend je näher das Rennen kam. Es klappte immer und ich konnte starten. Diesmal war es jedoch anders. Die Erkältung war hartnäckig und ich hin und her gerissen. Zudem ist der K78 kein normaler Marathon, sondern ein Ultramarathon übers Hochgebirge und doppelter Marathondistanz.

Immer wieder liest man von Sportlern, welche einen Herzstillstand erleiden im Training oder Wettkampf. Nachforschungen haben belegt, dass eine Herzmuskelentzündung dies begünstigen kann. Diese Entzündung kann durch eine Erkältung verursacht sein. Im Internet auf diesen Seiten steht bei Erkältung "RED FLAG" für Höchstleistungen. Folgender Link überzeugte mich dann definitiv und schweren Herzens abzusagen: Gesund am Marathon

Wenigstens konnte ich mit dem Arztzeugnis den Startplatz aufs 2013 übertragen :-)

Die Erkältung war dann auch noch heimtückischer als angenommen und die weiteren 4 Wochen lang überhaupt kein Training mehr drinnen.

Anfangs September konnte ich die Laufschschuhe dann wieder schnüren. Mein Tatendrang war gross und so meldete ich mich spontan für den Jungfrau Marathon an.

Viel erwarten durfte ich nicht, denn es lagen legendlich 6 Trainingseinheiten drinnen und keine Longjogs über 30km. Anyway, hauptsache dabei sein und dass Ziel auf der kleinen Scheidegg erreichen.

Da der Jungfrau Marathon immer ausgebucht ist, konnte ich das Ticket im Internet von einem Läufer erwerben, welcher absagen musste. Dies klappte prima. Gleichzeitig waren dieses Jahr die Bergmarathon Weltmeisterschaften, welche stattfanden. Am Start war somit auch die Weltelite vertreten.

Sonntag 9. Septemer 2012

Um Punkt 09:00 Uhr fällt der Startschuss zum 20. Jungfrau Marathon. Nachdem ich am Vortag meine zwei Kilogramm Spaghetti verdrückte (über den Tag verteilt) fühlte sich mein Magen schwer und der Körper eher träge an. Ich war mir nicht sicher, ob ich auch mit dem minimalen Training so leichtfüssig laufen kann wie sonst.

Die 1. und die 2. Kilometerzeit bestätigte mir jedoch mit einem guten Tempo, dass meine Beine mit Carbo geladen sind und die erwarteten Leistung erbringen. Ich füllte mich gut und konnte mit dem vorderen Feld mithalten. Bewusst ein bisschen weitere vorne, da es ein paar Stellen gibt, wo passieren schwierig wird. Je weiter vorne man ist, je besser zieht es einem mit, ansonsten läuft man auf. Dazu kommt, dass man bei KM 25 wenn es hoch geht nach Wengen eh gehen muss, der Streckenabschnitt ist zu steil um zu rennen. Dort dann noch Plätze gut zu machen ist ein Kraftakt und Kräfteverschleiss.

Plötzlich werde ich angesprochen von den Krienser-Lauffreunden. Sybille und Armin! Welch ein Zufall und Überraschung, dass wir uns unter den 3'000 Läufern überhaupt treffen. Schon manche Marathons hatten wir zusammen bestritten. Wir plauderten so dahin und die ersten 10 Kilometer purzelten nur so. Unser Tempo ist sehr gut bei einem Kilometer-Schnitt von  ca. 4:30. Es ging flott voran und wir geniessen es. Bei einem Getränkeposten kurz vor dem noch leichten Anstieg Richtung Lauterbrunnen verlieren wir uns aber aus den Augen.

Bei einer Zeit von 1:45 kann ich die Halbmarathonmarke passieren. Dies ist 5 Minuten schneller als noch vor 5 Jahren bei meinem 1. Jungfrau-Marathon. Ich fühle mich sehr gut und forcierte das Tempo bis zum steilen Abschnitt nach Wengen hoch. Jetzt bin ich ziemlich "ausgepowert" und will mich beim Hochlaufen erholen. Der Steckenabschnitt geht mir jetzt aber doch stark an die Substanz. Der Empfang in Wengen ist jedoch dann wieder so grandios und überwältigend ,dass ich gerne ein bisschen auf die Zähne beisse und stolz den schmucken Dorfkern passiere.

Das Wetter ist einfach wunderbar. Fast zu warm, aber je höher wir jetzt kommen, umso mehr sinkt die Temperatur, zum Glück! Der Schweiss tropft nur so runter und das Shirt ist durchnässt wie aus der Dusche. Jetzt passieren wir die 32 KM Marke. Nur noch 10 Kilometer, aber dies wird kein Spaziergang. Je höher wir kommen, je prachtvoller wird die Bergkulisse. Mein Blick eng sich ein und ich muss mich stark konzentrieren, die Kräfte bündeln und es beginnt eine Kopfsache zu werden. 

Wir schreiben Kilometer 36, ich bin am Ende meiner Kräfte. Am liebsten will ich jetzt stehen bleiben und einfach ruhen. Verrückt, all die Sekunden um welche ich auf den erste Kilometer noch kämpfte würden jetzt einfach so dahin schmelzen. Zudem ist Pfad eng und es ist von grossem Vorteil in der Linie hoch mitzuhalten.

Immer mehr Läufer kriegen furchtbare Krämpfe und liegen teilweise auf schreiend auf dem eh schon sehr engen Pfad. Für sie ist das Rennen gelaufen. Jeder Schritt wird zum Thema im Kopf. Meinen Beine wollen streiken der Kopf sagt "weiter geht's" und noch einen Schritt und noch einen weiter. Es ist steil. Teilweise stemme ich mit den Händen ab. Dies hilft aber nur bedingt.

Bei Kilometer 38 sieht man jetzt den höchsten Punkt der Strecke und die Stimmung in mir steigt wieder. Alle Läufer vor und hinter mir stöhnen und kämpfen. Jeder gibt alles. Keuchend nehmen wir die bekannte Moräne in Angriff. Die tolle Alphornmusik lässt ein bisschen ablenken. Die Getränkeposten kommen jetzt häufiger und auch in den steilsten Passagen wird einem Wasser, Cola etc. angeboten.

Am höchsten Punkt dann der bekannte Dudelsackspieler. Geschafft! Jetzt geht's noch 2 km runter ins Ziel auf der kleinen Scheidegg. Ein herzliches Gefühl bei tosender Menge den Zieleinlauf passieren zu können. Welch ein emotionaler Moment. Meine Augen werden feucht vor Freude. Von den 800 Läuferin meiner Kategorie konnte ich als 209. einlaufen.

Die letzen 10KM waren ein Kraftakt der besonderen Sorte und ich fühlte mich wie in einer Trance. Es braucht eine Zeit bis ich alles fassen kann. Ich stand einfach nur da, liess alles auf mich einwirken. Bis ich in der Gegenwart ankam, dies dauerte seine 15 Minuten.

Zusammen Sibylle und Armin genehmige ich noch einen Drink. bevor es zurück nach Interlaken geht. Jetzt freute ich mich auf die Erholung und gemeinsame Ferienwoche mit meiner Familie in den Bergen. Diese sind zumindest aus sportlicher Sicht verdient ;-)


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